Bild: VisiConsult X-ray Systems & Solutions GmbH
In der zerstörungsfreien Prüfung (ZfP) wird Röntgentechnologie schon seit jeher genutzt. Anders als durch optische Verfahren können dort auch innenliegende Defekte, wie Poren, Einschlüsse oder Geometrien geprüft werden. Seit der Digitalisierungswelle um die Jahrtausendwende werden hierfür, anstelle von analogem Film, digitale Detektoren verwendet. Mit dem Schritt zur Digitalisierung liegen die Daten in Echtzeit vor und können maschinell ausgewertet werden. Besonders im Automobilbereich mit seinen hohen Stückzahlen ist dies relevant. Bereits seit 20 Jahren liefert VisiConsult sogenannte Automated Defect Recognition (ADR) Systeme, die nach bauteilspezifischer Parametrierung Fehler vollautomatisch erkennen. Heutzutage werden die Produktionszyklen allerdings immer kürzer und der Markt verlangt nach immer schnelleren Ramp-Up Zeiten. Weiterhin werden die Bauteile leichter und komplexer, während im gleichen Maße die Qualitätsanforderungen steigen. Die klassischen Bildverarbeitungsverfahren des Röntgenspezialisten erfordern daher eine hohe Positioniergenauigkeit und umfangreiche Bauteilparametrierung.
KI für ADR-Systeme
Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz ließe sich dieser Aufwand massiv reduzieren. Erste Tests mit verfügbaren KI-Frameworks erreichten in einer Blindstudie bereits Detektionsquoten von bis zu 90 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren. „Die Tests befinden sich allerdings noch am Anfang“, so Lennart Schulenburg, Prokurist bei VisiConsult: „Da mit unseren Systemen sicherheitskritische Bauteile geprüft werden, sind hierfür noch weitere umfangreiche Tests und Qualifikationen nötig“. 2017 wurde eine Forschungskooperation zum Thema KI mit der Universität zu Lübeck geschlossen. „Die Universität zu Lübeck ist führend in der medizinischen Bildgebung. Da hier bereits massiv auf KI gesetzt wird, ist dieser Bereich schon deutlich weiter als die Industrie. Dieses Wissen transferieren wir derzeit auf unsere Anwendungen“, so Schulenburg weiter. Aufgrund von Zulassungsbeschränkungen war ADR in der Vergangenheit von hoch-kritischen Bereichen, wie der Luftfahrt ausgenommen. Aufgrund der gestiegenen Stückzahlen besteht aber ein Interesse die Verfahren entsprechend zu qualifizieren. Daher arbeitet VisiConsult mit einem führenden Luftfahrtkonzern in einem europäischen Luftfahrtforschungsprojekt zusammen, um ADR als Prüfmethode zu etablieren. Auch dort wird der Einsatz von KI geprüft, z.B. bei der automatischen Defekterkennung innerhalb von Schweißnähten.
Cloud-Lösung für Bilddaten
Entscheidend für den Erfolg einer KI ist die Anzahl und Qualität der zugrunde liegenden Bilddaten. Aus diesem Grund wurde eine Cloud-Lösung entwickelt, in welche Kooperationspartner bewertete Bilddaten laden. Diese werden dann anonymisiert und zur Parametrierung der KI genutzt. Die Fehlerdatenbank umfasst mittlerweile mehrere hunderttausende Datensätze mit markierten und klassifizierten Fehlern. Als Spezialist für vollautomatische Prüfsysteme hat VisiConsult gerade ein Patent zur automatischen Roboter Nachführung entwickelt: Durch die Kombination Robotik, 3D-Sensorik und Bildregistrierung können so hohe Wiederholgenauigkeiten ohne teure Bauteilhalter erzielt werden. Das System soll nun mit den neuen KI-Lösungen kombiniert werden und so den Ramp-Up Prozess von mehreren Tagen auf wenige Stunden reduzieren. Bauteile werden dann im Mischbetrieb auf einem Förderband in die Anlage gefahren und vom System automatisch erkannt. Die Software erkennt, um welches Bauteil es sich handelt und würde die Robotik auf die exakte Position nachführen. Dadurch würden Rüstzeiten reduziert und der Durchsatz massiv erhöht. Als Nebeneffekt wird der Pseudo-Ausschuss reduziert und die Detektionswahrscheinlichkeit erhöht. Beides sind Voraussetzungen für eine Luftfahrtzulassung des ADR-Systems.