Sabine Bendiek, Microsoft Deutschland:
„Wir brauchen eine Allianz
des digitalen Fortschritts“
Bild: Microsoft Deutschland GmbH
Nach jedem wirtschaftlichen Hoch kommt das Tief. Soweit die Logik. Und wenn es zur Flaute kommt, wird die Innovationskraft zum wichtigsten Wettbewerbsfaktor, findet Sabine Bendiek. Die Microsoft-Deutschland-Chefin schildert außerdem, warum starke Firmen starke Partner brauchen und wie es um das Thema künstliche Intelligenz im Land bestellt ist.
Mit ihrer im November 2018 vorgelegten KI-Strategie will die Bundesregierung Deutschland zu einem weltweit führenden Standort bei künstlicher Intelligenz machen. Bis 2025 sollten dafür drei Milliarden Euro investiert werden. Was auf den ersten Blick viel erscheint, schrumpft im internationalen Vergleich allerdings schnell zusammen. In China will allein die Stadt Tianjin fast 13 Milliarden Euro in die KI-Förderung stecken. Was vielleicht noch schlimmer ist: Die zugesagte Summe wurde nur wenige Monate später deutlich eingedampft, dann wieder etwas aufgestockt, es bleibt unklar, aus welchen Töpfen sie letztlich kommen soll. Dieses Hin und Her weckt ungute Assoziationen an den Digitalpakt Schule. Die bereits im Herbst 2016 versprochenen fünf Milliarden Euro Bundesmittel für den Ausbau der technischen Infrastruktur sind bis heute nicht in den Schulen angekommen. Solche Verzögerungen können wir uns nicht noch länger leisten. Schließlich hat Deutschland nach Jahren des Zögerns gerade erst zur digitalen Aufholjagd angesetzt. Wie weit wir damit gekommen sind, wird sich zeigen, wenn das Wirtschaftsklima weiter abkühlt. Die sich abzeichnende Konjunkturdelle wird zur Bewährungsprobe für die Digitalisierung in Deutschland – und leider gibt es jetzt schon einige Hinweise darauf, dass wir sie nicht mit Bravour bestehen werden: Gerade in schwierigen Zeiten wird die Innovationskraft von Unternehmen zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Doch die deutsche Wirtschaft liegt im Innovationsindikator des BDI nur noch auf dem neunten Platz und gerade mittelständische Unternehmen fallen im globalen Innovationswettbewerb immer weiter zurück. Das renommierte ‚Institute for Management Development'(IMD) hat Deutschland in seinem ‚World Competitiveness Ranking‘ seit 2014 vom 6. auf den 15. Platz herabgestuft. In punkto ‚digitale Leistungsfähigkeit‘ rangiert Deutschland sogar nur auf Platz 18.
Fuß von der Bremse
Das Problem: Deutsche Unternehmen setzen bei ihren Digitalisierungsvorhaben nach wie vor primär auf Effizienzgewinne und verschenken dabei das innovative Potential digitaler Produkte und Geschäftsmodelle. Das gilt auch für den Einsatz von KI. Deutschland liegt vorn, wenn es um Prozessautomatisierung geht, so eine aktuelle Untersuchung von Deloitte. Aber es fehlt der übergreifende strategische Ansatz: Während in den USA, China, Großbritannien, Frankreich, Kanada und Australien bereits mehr als jedes dritte Unternehmen eine übergreifende KI-Strategie verfolgt, ist es hierzulande nur jedes Vierte. Das muss sich dringend ändern! Laut einer Studie im Auftrag des BMWI könnte der Einsatz von KI die Bruttowertschöpfung allein im produzierenden Gewerbe um rund ein Drittel steigern. Insgesamt könnte Deutschlands BIP durch den Einsatz von KI bis 2030 um rund 430 Milliarden Euro wachsen, so eine Prognose von PwC. Davon würden 40 Prozent Effizienzgewinne beisteuern, aber 60 Prozent dieses gewaltigen Potentials steckt in innovativen Produkten, Services und Geschäftsmodellen auf KI-Basis.
Engere Vernetzung gefordert
Um dieses Potential voll auszuschöpfen, müssen wir Wissenschaft und Wirtschaft besser vernetzen, um die starke deutsche Grundlagenforschung endlich in marktfähige Produkte zu übersetzen. Wir müssen endlich den Fuß von der Bremse nehmen und sowohl das Tempo der technologischen Umsetzung als auch die KI-Kompetenz in jedem einzelnen Unternehmen deutlich steigern. Und wir müssen uns noch mehr öffnen: für neue Technologien und Methoden, für neue Formen der Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb von Unternehmen, für neue Partnerschaften auch über Branchengrenzen hinweg. Viele Herausforderungen lassen sich heute nur in engem Schulterschluss zwischen Industrie und Technologie lösen. Wir bei Microsoft verstehen uns grundsätzlich als Partner und nicht als Wettbewerber der Industrie. Wir stellen unseren Kunden Plattformen und Technologien zur Verfügung, auf deren Basis sie eigene Geschäftsmodelle entwickeln können. Und wir helfen – gemeinsam mit unserem starken Partnernetzwerk – Unternehmen aller Branchen und Größen beim Aufbau technischer Kompetenzen, damit sie ihren eigenen Kunden mit digitalen Lösungen neue Mehrwerte bieten können.