Bild: ROI Management Consulting AG
Die Gründe dafür sind recht eindeutig: Kein uns heute bekanntes künstliches System besitzt die Flexibilität, situative Intelligenz oder Adaptionsfähigkeit, die für Menschen normal sind. Maschinen schaffen nicht den Sprung über die ‚kreative Schranke‘, ihnen fehlt das, was jeder gute Werksleiter beherrscht – die Fähigkeit zur Improvisation, der Rückgriff auf logisch nicht herleitbare Problemlösungsmuster. Doch Deep Learning verringert den Abstand.
Maschinen wollen nicht
Die heute als intelligent bezeichneten Maschinen können durchaus beeindruckende Rechenleistungen vollbringen, die dem menschlichen Gehirn nicht nachstehen, es vielleicht sogar übertreffen – wie man es etwa beim Schach oder bei Go beobachten kann. Sie können auch handeln und Anweisungen befolgen. Sie sind jedoch nicht in der Lage, Rechenleistung und beobachtbare Handlungen zu verbinden. Maschinen haben weder Selbsterkenntnis, noch Intentionalität, noch Eigenmotivation. Was nicht verwunderlich ist, denn über diese Eigenschaften und ihre Genese wissen wir selbst beim Menschen erstaunlich wenig. Rodney Brooks, einer der profiliertesten KI-Experten der USA, hat mitten in der Debatte über die potenziellen Bedrohungen durch die KI richtig festgestellt: selbst sehr weitreichende Lernprozesse helfen Maschinen weder dabei, einen eigenen Willen zu entwickeln, noch Verständnis für menschliche Ziele, Wünsche oder Motivationen zu wecken. Beides, so Brooks, sei aber die Voraussetzung für potenziell bösartige künstliche Intelligenz. Auf Sicht werden wir deshalb mit Maschinen zusammenarbeiten müssen – oder sie mit uns.
Wen entmachtet die KI?
Das bedeutet natürlich nicht, dass die Digitalisierung der Industrie und die Entwicklung der künstlichen Intelligenz ohne Folgen für die Arbeitsplätze und Jobprofile bleiben. Wichtig ist dabei die Unterscheidung zwischen der physischen Wertschöpfung einerseits und den Informations- und Kommunikationsprozessen andererseits. So wird sich aller Voraussicht nach aus den oben erwähnten Gründen in der Produktion in den kommenden Jahren relativ wenig ändern. Hier werden die Maschinen, vor allem Roboter, eine unterstützende Assistenz-Funktion übernehmen. Ohne Zweifel wird es auch Veränderungen vor allem in der internen Logistik geben, etwa durch fahrerlose Transportsysteme. Doch gilt es zu bedenken, dass es sich dabei um einen eher evolutionären Prozess handelt, der durchaus im Bereich des normalen technologischen Wandels liegt.
Gravierende Veränderungen
Gravierend dürften dagegen die Veränderungen bei den Informations- und Kommunikationsprozessen werden. Die Kommunikation der Maschinen, Werkstücke und Transportelemente untereinander sowie die dezentrale Organisation und Koordination bilden den Kern der Industrie 4.0-Ansätze. Zentrale Stellen werden damit im großen Umfang obsolet, was gerade in den IT-Abteilungen, der Disposition, der Planung und Prozesssteuerung sehr vieles verändern wird. Besonderer Veränderungsdruck liegt dabei in der Weiterentwicklung des ‚Deep Learning‘. Doch durch die Digitalisierung – insbesondere durch neue Datenbanksysteme, Cloud- und Fog-Technologien, die Verbreitung smarter Objekte im IoT und verbesserte Konnektivitätslösungen, verfügen wir inzwischen über gewaltige Datensets: Groß genug, um künstliche neuronale Netze zu trainieren und zu testen. Die tiefe Analyse auch unstrukturierter Daten, neue Visualisierungstechniken und immer leistungsfähigere Hardware schaffen die Voraussetzungen für die Entstehung teilautonomer Systeme. Zu einem wichtigen Faktor wird auch die Popularisierung der Deep Learning Technologie werden. Das zeigt beispielsweise die kürzlich von Google vorgestellte Quick Access Funktion, mit der die Google Drive Nutzer die richtigen Dateien zum richtigen Zeitpunkt finden.
Die halb-smarte Fabrik
Besonderes Potenzial von KI und Deep Learning liegt darin, dass sie das Grundproblem der IT adressieren – das in der binären Struktur begründetes Ja/Nein-Muster. Die Fähigkeit zum Umgang mit Unschärfen einzubauen und eine wirkliche Mustererkennung zu ermöglichen, hat gerade für die Analyse von Big Data, von ganzen Parameterclustern, höchste Relevanz. Das ist die Voraussetzung, um auch komplexe Entscheidungsprozesse zu automatisieren und um Maschinen und Fabriken wirklich smart zu machen. Denn diese sind heute weit weniger smart, als die öffentliche Wahrnehmung suggeriert: Von wirklich smarten Fabriken, verstanden als physisch-virtuelle Räume in denen alle relevanten Vorprodukte, Maschinen und Informationen vernetzt sind und weitgehend autonom agieren, kann heute noch nicht die Rede sein. In vielen Unternehmen sind einzelne Elemente und Konzepte bereits realisiert, nicht aber eine umfassende Digitalisierung.
Do you speak data?
Die vielleicht wichtigste Bremse für den digitalen Wandel und eine breitflächige Nutzung der Potenziale von KI, Deep Learning, Big Data oder Cloud liegt jedoch darin, dass den meisten Unternehmen bislang noch schlicht Ideen und Roadmaps fehlen, um in das Thema einzusteigen. Die Frage, was vor diesem Hintergrund zu tun ist, führt erneut zum Thema Mitarbeiter: Um Neues zu entwickeln, braucht man hochqualifizierte und engagierte Mitarbeiter, die genug Ressourcen und Freiräume haben, um Neues zu denken und auszuprobieren. Die beste Strategie nutzt nichts, wenn man nicht in der Lage ist, kreative Räume zu schaffen und zu schützen. Ein weiterer Faktor ist, dass wir inzwischen gelernt haben, Daten zu sammeln. Wir sind aber noch weit davon entfernt, von wirklicher ‚Datenkompetenz‘ sprechen zu können. Selbst wenn die Singularität noch Jahrzehnte weg sein sollte: Die Daten sind die Sprache der Maschinen, mit denen wir eng zusammenarbeiten werden. Wir sollten diese Sprache beherrschen.