Wo sich IT und OT näher kommen
Bild: Hewlett-Packard Enterprise
Auch die großen Cloud-Anbieter haben erkannt, dass weite Teile der IT nicht in Rechenzentren stehen werden. Doch durchgängige Edge-to-Cloud-Umgebungen werden erst möglich, wenn am Edge – also am Netzwerkrand nahe der Fabrik-, Industrie- und Informationstechnik konvergieren. Smartphones können als Vorbild dienen.
Bis 2020 sollen nach einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger jährlich weltweit 30 Milliarden intelligente Sensoren verkauft werden. Sie wandern in Ölplattformen, Fahrzeuge, Produktionsmaschinen und erzeugen große Datenmengen. Diese bilden zusammen mit lernfähigen KI-Algorithmen die Grundlage für sogenannte Edge-to-Cloud-Umgebungen, die Daten und Abläufe von der Feldebene bis zur Unternehmensebene integrieren. Das kann neue Einsichten in Systeme und Prozesse ermöglichen und dabei helfen, situationsangemessen in Echtzeit zu entscheiden und zu handeln. Das Ziel dahinter: Prozessverbesserungen in Industrie, Logistik, Produktion und Energiewirtschaft – sowie die Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle.
Die Peripherie gewinnt an Bedeutung
Damit deutet sich ein neues IT-Paradigma an. Nach der letzten Zentralisierungswelle, bei der die Cloud im Mittelpunkt stand, geht es nun wieder in Richtung Dezentralisierung: Die Bedeutung der Peripherie, also allem, was mit einem Sensor ausgestattet werden kann, steigt. Bisher herrschte vielfach die Auffassung vor, dass die im Internet of Things (IoT) erzeugten Daten in der Cloud verarbeitet werden müssen. Doch die Sensordaten dorthin zu transportieren, kann unter Umständen zu lange dauern. Verzögerungen können am Edge schlimme Konsequenzen nach sich ziehen – beispielsweise wenn Maschinen nicht ab- oder Ampeln nicht umschalten. Zudem ist am Netzwerkrand die Bandbreite oft knapp oder nur phasenweise verfügbar. Auch ist es ein Kostenfaktor, die Menge an oftmals redundanten Daten durch das Netzwerk zu schicken. Also wird eine Zwischenstation benötigt, die Daten nicht nur sortiert und weiterleitet, sondern eigenständig verarbeiten kann. Forscher der Carnegie-Mellon-Universität bezeichnen dies als ‚Cloudlet‘. So entstanden die heute bekannten Edge-, Mini- oder Mikrodatenzentren. Die dritte und erzeugungsnächste Stufe bilden heute oftmals Gateways, die aber nicht genügend Rechen- und Speicherleistung haben, um alle Aufgaben zu erfüllen, die eigentlich in unmittelbarer Nähe der Endgeräte zu lösen wären. Denn es ist in vielen Fällen notwendig, unmittelbar am datenerzeugenden Endgerät ein intelligentes System zu platzieren, das die anfallenden Daten erfasst, normalisiert und analysiert, die nötigen Reaktionen vor Ort einleitet und ansonsten Daten, die es wert sind, ins Mikrorechenzentrum oder direkt in die Cloud schickt.
Brückenkopf der Integration
Der Begriff ‚cyber-physische Systeme‘ deutet an, worauf es dabei ankommt. Es geht um die Konvergenz von Industrietechnik (Operational Technology, OT) und Informationstechnik (IT) mit dem Ziel, physische Prozesse so flexibel, intelligent und autonom zu machen, als seien es virtuelle Prozesse. Edge-Systeme bilden für diese Integration den Brückenkopf: Daten aus Sensoren, Scada- und SPS-Systemen werden mit Standard-IT-Anwendungen analysiert, woraus wiederum Handlungen abgeleitet werden, die von Scada- oder SPS-Systemen ausgeführt werden. Solche Datenkreisläufe einzurichten und zu betreiben ist hoch komplex, da eine große Zahl von unterschiedlichen Komponenten miteinander orchestriert werden muss. Die Edge-IT-Systeme müssen dabei gleich in doppelter Hinsicht sozusagen in Feindesland operieren: in einer Umgebung voll fremder Technologien und voll unwirtlicher Betriebsbedingungen. Letztere können für IT-Systeme nicht nur geradezu lebensfeindlich sein – zudem fehlt oftmals das Knowhow, um diese komplexen Systeme aufzusetzen und zu warten. Damit die Edge-Systeme ihre Rolle als Brückenkopf der OT/IT-Integration ausfüllen können, braucht es also einen neuen Ansatz. Als Vorbild können Smartphones mit ihren Apps dienen.