China und die USA im Wettlauf um die mächtigsten KI-Anwendungen

Chinas großer Plan

Der Staatsrat der Volksrepublik China hat bereits im Jahr 2017 einen Plan zur KI-Entwicklung im Lande verabschiedet. Er formuliert die Ziele, eine KI-Industrie im Wert von 150Mrd.US-Dollar aufzubauen und bis zum Jahr 2030 zur weltweit führenden Nation auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz zu werden. KI-Experte Kai-fu Lee sagte im oben erwähnten Interview mit dem Portal ‚Sifted‘, China sei stark wegen der riesigen Marktgröße eines homogenen Landes, in dem alle dieselbe Sprache und Kultur teilten. Die Tatsache, dass Daten so leicht aggregiert werden könnten, schaffe Geschäftsmodelle, die rentabel sind. Was in einer Stadt funktioniere, könne in hundert großen Städten funktionieren. Die Marktgröße sei auch bei KI ein noch größerer Vorteil, weil so viele Daten benötigt werden. Darüber hinaus habe China ein unternehmerisches Ökosystem entwickelt, in dem sich Risikokapitalgeber und Unternehmer gegenseitig helfen würden, iterativ zu wachsen – viel schneller als in den USA. China habe zudem den Regierungsvorteil: Diese baue die Infrastruktur, stelle die Investitionen bereit und gebe die landesweite Richtung vor. Gegenwärtig führt China bereits in der KI-Finanzierung: 48 Prozent der weltweiten Förderung für KI-Start-ups stammt aus China, 38 Prozent aus den USA und nur 13 Prozent aus dem Rest der Welt. Technologisch gilt China als führend bei der Gesichtserkennung, auch weil chinesischen Visual Computing Firmen, wie etwa SenseTime, Zugang zur Datenbank der Regierung mit 700 Millionen Passfotos chinesischer Bürger gegeben wurde. Die drei großen chinesischen Technologieunternehmen Baidu, Alibaba und Tencent sowie der Spracherkennungsspezialist iFlytek wurden vom chinesischen Ministerium für Wissenschaft und Technologie als Partner zur Umsetzung der nationalen KI-Strategie ernannt. Sie sollen Innovationsplattformen in vier Bereichen entwickeln: Alibaba sammelt Daten für Intelligente Städte, Baidu für autonome Fahrzeuge, Tencent für medizinische Bildgebung und iFlytek für automatische Spracherkennung.

KI in den USA

Die USA sind bekanntermaßen gut aufgestellt in der Forschung und in der Umsetzung der Ergebnisse in Services und Produkte. Dazu kommt die stark ausgeprägte Risikokapital-Kultur. Nicht zuletzt haben etablierte Plattformen wie Google, Facebook und Amazon seit ihrem Markteintritt einen riesigen Schatz an Anwenderdaten angelegt. Die US-amerikanischen Digitalplattformen sind in Forschung und Entwicklung Weltmächte: Laut einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young ist Amazon mit einem Budget von 20 Mrd. Euro der mit Abstand größte F&E-Investor der Welt. Auf den Rängen zwei und drei folgen mit 14,8 Mrd. Euro die Google-Muttergesellschaft Alphabet vor Samsung (13,1 Mrd. Euro). Die Gebiete künstliche Intelligenz und autonomes Fahren sind Schwerpunkte der Forschung von Amazon. Google hat im vergangenen Jahr gleich seinen gesamten Forschungsbereich von ‚Research‘ in ‚AI‘ also Artificial Intelligence umgetauft, um die Bedeutung von KI im Unternehmen herauszustellen. Dazu passt auch, dass Google der größte Aufkäufer von KI-Startup-Unternehmen ist. Die amerikanischen Marktforscher von CBInsights haben recherchiert, dass allein die GAFAM und Intel in den vergangenen acht Jahren 48 KI-Startups komplett übernommen haben. Der Run auf KI-Talente ist so groß, dass die Startups noch vor dem möglichen Börsengang aufgekauft werden. Google und Apple waren mit dem Kauf von 14 bzw. 13 Unternehmen hierbei besonders investitionsfreudig. Facebook und Amazon folgten auf den Plätzen drei und vier.

Wo bleibt Europa?

Vom bereits zitierten Kai-fu Lee stammt die ironisch gemeinte Aussage: „Ich habe den Eindruck, dass für die Europäer der einzige Weg zum Erfolg darin besteht, Google, Facebook und Amazon rauszuschmeißen.“ Angesichts der Dominanz der USA und Chinas auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz hält auch der Mathematiker und Physiker Cédric Villani, Autor der französischen KI-Strategie, laut einer Meldung des IT-Portals heise.de nichts davon, den US-Internetriesen bei KI-Diensten Paroli bieten zu wollen, die auf dem Sammeln und Auswerten personenbezogener Daten beruhen. Hier sei der Zug weitgehend abgefahren. In Europa müsse es dagegen darum gehen, KI-Anwendungen auf Basis „professioneller und spezieller Daten“ etwa im Business-to-Business-Bereich zu entwickeln und dort führend zu werden. Der in Harvard forschende, weißrussische Publizist Evgeny Morozov, hat auf einer Konferenz zum digitalen Kapitalismus die Ansicht dargelegt, dass die werbefinanzierten digitalen Plattformen zu einem neuen Geschäftsmodell übergehen werden: Dessen Dynamik werde geprägt sein „durch die künstliche Intelligenz und die um sie herum entstehenden Dienstleistungen“. Diese Dienstleistungen würden zukünftig weder werbesubventioniert noch kostenlos sein. Als Beispiel führte er u.a. die Kooperation von Google mit dem britischen National Health Service ein, deren Ergebnisse Google am Ende vermarkten werde. Morozov zufolge sei die Gefahr groß, dass Europa die letzten KI-Forscher weggeschnappt würden, ebenso wie das letzte Startup, das sich mit KI beschäftige. Er befürchtet, dass Europa in Bezug auf KI scheitert und die wichtigste Schlüsselinfrastruktur am Ende preisgibt.

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